Hanna Goodman schlich sich Tag für Tag aus dem Haus, um an der nahe gelegenen Tankstelle alles an Tageszeitungen zu kaufen, was sie bekommen konnte. Sie stellten beide mit Entsetzen fest, dass niemand über den Kometen schrieb. Auch im Rundfunk und im Fernsehen hatten sie bisher nichts gehört. Bill war der festen Meinung, dass man das Problem einfach totschwieg. Hanna merkte rasch, dass sie ihn mit Gesprächen und heißen Diskussionen nicht ablenken konnte. Für sie gab es nur ein Rezept. Mit Liebe und Sex wollte sie vergessen machen, was über ihren Köpfen schwebte wie ein Damoklesschwert.
Am dritten Tag ihrer freiwilligen Emigration entschied sich Bill, einen bekannten Starreporter anzurufen und ihm seine Geschichte anzubieten. Ein Treffen lehnte Bill allerdings zu seiner Sicherheit ab. Er stellte in Aussicht, ein komplettes Interview per Telefon zu geben. So viel verriet er gleich, dass er den dringenden Verdacht hatte, die Regierung unterdrückte eine ernste Bedrohung für die ganze Menschheit. Als er vom Kometen sprach und das Datum nannte, wurde der Reporter nervös. Er ließ wissen, dass er das ganz bestimmt an die Öffentlichkeit bringen wollte, wenn er sich auf seine Informationsquelle beziehen dürfte. Dem stimmte Bill zu. Seinen Namen und seine Stellung wollte er gern ins Feld führen, um die Sache glaubhaft zu machen. Die Männer beendeten ihr Gespräch mit dem Versprechen, dass Bill am nächsten Tag wieder anrufen wollte. Er selbst wagte keinen Anruf zu empfangen. Leider dachte er nicht so weit, dass man schließlich auch zurückverfolgen konnte, woher er selbst anrief.
Irgendwie hatte er das Gefühl, erst mal seine Pflicht getan zu haben. Inzwischen waren die beiden im Häuschen ihrer Freunde schon so heimisch geworden, dass Bill sich wagte, in das Schränkchen unter dem Fernseher zu schauen. Eine ganze Reihe Videos sah er mit Covern, die für sich sprachen. Nichts als Sex und Pornos! Während Hanna in der Küche wirtschaftete, machte er sich den Spaß, in eines der Videos hineinzusehen. Ihm wurde schon bei den ersten Szenen ganz anders. Es gab nichts, was die hübschen Mädchen und die knackigen Kerle nicht zeigten. Er fühlte sich direkt in einen flotten Gruppensex hineinversetzt. Fast automatisch griff er in seinen Schoß, um vielleicht niederzuhalten, was sich da wie eine Sprungfeder erheben wollte. Vermutlich hatte Hanna die ganz besonders eindringliche Filmmusik angelockt, möglicherweise auch das Stöhnen und Wimmern der Leute, denen es sehr gut zu gehen schien. Hanna sagte ganz leise: „Musst du dich jetzt schon an fremden nackten Weibern aufgeilen? Genügen dir meine Reize nicht mehr?“
Erschreckt richtete sich Bill auf und haspelte so etwas wie eine Entschuldigung. Er versicherte, dass er zum ersten Mal in seinem Leben solch einen Film sah. Sie war schon an seiner Seite, strich über seinen Schoß und raunte: „Das war doch kein Vorwurf. Hab nur Spaß gemacht. Soll ich dir sagen, dass ich mir schon oft gern zusammen mit dir einen solchen Film angesehen hätte? Hast du eine Ahnung, wie schön es sein kann, splitternackt miteinander zu kuscheln und sich von so einem Streifen inspirieren zu lassen?“
„Und woher weißt du das?“
„Bill, wir hatten ausgemacht, dass wir uns nicht für unser intimes Vorleben interessieren.“
Ohne Umstände stieg sie direkt neben ihm aus ihren Sachen. Er wusste nicht gleich, wohin er schauen sollte. Ihre Freizügigkeit lockte ihn, der Bildschirm aber auch. Hanna ahnte seine Verfassung. Ganz behutsam ging sie ihm an die Wäsche. Nur hin und wieder half er ihr mit einer Körperbewegung. Sie genossen gegenseitig streichelnd ihre Nacktheit, während sie gespannt verfolgten, wie sich die Paare am Fernseher tummelten, wie sie sich einen Orgasmus nach dem anderen herauslockten. Hanna wurde ganz anders, als eine Frau gleich von drei Männern verwöhnt wurde; über dem einen kniete sie, der andere hockte hinter ihr und der dritte drückte und küsste ihre Brüste. Sie war ganz aus dem Häuschen. Bill schielte einen Moment zu ihr, weil er merkte, wie sie sich unruhig neben ihm hin und her warf. Er murmelte: „Etwa ähnliche Gelüste?“
Sie schaute so gebannt und der Mund war ihr so trocken, dass sie nur leicht mit dem Kopf nickte. Das war Bill für diesen Abend und auch für die Zukunft ein wichtiger Fingerzeig. Er hatte da schon Einfälle, wie er ihr so einen Sonderwunsch wenigstens annähernd erfüllen konnte.
Auf dem Fernseher rackerten längst ein paar andere Leute. Bill sehnte gerade mit allen Fasern seines Leibes die Entspannung herbei, die ihm Hannas zärtliche Hände bereiten wollten, da stürzten sechs bewaffnete Männer in Zivil in das Zimmer. Vier blieben an der Tür stehen, die Pistolen im Anschlag, zwei kamen auf das nackte Paar zu, griffen nach deren Sachen, um sie ihnen zuzuwerfen. Einer schnarrte: „Ziehen sie sich an. Sie sind festgenommen.“
Hanna glaubte, das Herz müsste ihr stehen bleiben. Es traf sie nicht so fürchterlich, dass sie nun splitternackt vor den gierigen Augen stand. Sie wusste, wie schön sie war und amüsierte sich sogar einen Augenblick, wie den Kerlen der Zahn tropfte. Das Wort Verhaftung schmerzte fast körperlich in ihrem Kopf.
Hanna konnte gerade noch zu ihrer Handtasche greifen, da wurde sie schon von zwei Männern in die Mitte genommen. Wenigstens keine Handschellen, dachte sie. Nichts konnte sie Bill mehr zurufen. Die Tür war hinter ihr schon zugeschlagen und er noch im Haus. Die Hoffnung, ihren Mann im Wagen wieder zu sehen, wurde enttäuscht. In zwei Fahrzeugen wurden sie getrennt abtransportiert.
Schon nach wenigen Metern Fahrt wurde Hanna eine Augenbinde angelegt. Ihre vorsichtige Frage, was man ihr vorwarf und wohin sie gebracht werden sollte, beantworteten die Männer mit stoischem Schweigen. Sie ärgerte sich wahnsinnig. Viel lieber hätte sie noch eine dumme oder schnodderige Antwort hingenommen. Einfach nicht zu antworten, sie wie ein Schatten ihrer selbst zu behandeln, das ging ihr entscheiden gegen den Strich.
Bill wurde nicht viel anders behandelt. Er erfuhr allerdings noch, dass man schon hinter ihm her war, seit er aus der Klinik entflohen war. Aus den Worten des einen Mannes hörte er einen gewissen Respekt für seine erfolgreiche Flucht. Auch seine Augen wurden dann verbunden und er ergab sich in sein Schicksal. Seine Überlegungen pendelten. Will man mein Wissen totschweigen oder braucht man mein Wissen, fragte er sich.
Nach ungefähr zwei Stunden Fahrt hörte Bill Möwengeschrei. Als waren seine Begleiter erschreckt von den verräteririschen Tönen, stellte der Fahrer das Bordradio so laut, dass man von draußen nichts mehr hören konnte. Bill lächelte trotz der prekären Situation. Die Jungs machten ihren Job gut. Der Hinweis auf das Meer und vielleicht auf ein Schiff machte ihm Hoffnung, vielleicht an einem neutralen Ort mit Wissenschaftlern anderer Länder zusammenzukommen. Als Zeichen dafür hielt er auch, dass Hanna von ihm getrennt wurde. Was man allerdings mit ihr vorhatte, vermochte er sich nicht vorzustellen. Die bange Ungewissheit verleitete ihn sogar zu einer Nachfrage, obwohl er keine Antwort erwartete. Einer der Herren sagte barsch: „Das Liebespaar wird sich bald wieder in den Armen liegen.“ Er hörte deutlich heraus, wie der Mann darauf anspielte, in welcher Situation er sie angetroffen hatte. Das interessierte Bill in diesem Moment nicht.