Für Bill war es keine Intelligenzaufgabe, um herauszufinden, dass er auf einem Militärschiff gelandet war. Deutlich spürte er, wie das Fallreep bei jedem Schritt federte. Die Kommandos, die über seinem Kopf hallten, waren eindeutig militärischer Natur. So redeten normale Seeleute nicht miteinander. Beinahe hätte er sich am oberen Ende des Aufstiegs durch seine Augenbinde noch lang gelegt. Sein Begleiter konnte ihn gerade noch halten. Über Niedergänge musste er sich wieder herabtasten. Er hatte das Gefühl, bis tief in den Kielraum hinabzusteigen. Eine Tür hörte er krachen, einen Schlüssel im Schloss drehen, dann war bis auf die sich entfernenden Schritte Stille. Scheinbar war es sich selbst überlassen. „Hier sind sie für die nächsten zwei Wochen zu Hause“, hörte er eine blecherne Lautsprecherstimme. „Nehmen Sie schon die Augenbinde ab und stärken Sie sich.“
Er gehorchte sofort. In einem Raum sah er sich, der vielleicht drei mal drei Meter maß. Eine Pritsche gab es, ein Spind, einen kleinen Tisch und einen Schemel. Auf der Pritsche lagen ein Schachcomputer und ein paar internationale Zeitschriften aus seinem Fachgebiet. Aha, man kannte sich aus, man wollte ihm nach Kräften gefällig sein. Der Tisch war auch nicht schlecht gedeckt. Keine große Mühe hatte man sich gegeben, die kleine Kamera und das Mikrofon zu verstecken. Über das Objektiv hängte er sein Taschentuch. Prompt kam aus dem Lautsprecher: „Wir hatten ohnehin nicht vor, Sie Tag und Nacht zu beobachten.“
Im Spind fand er zwei Garnituren Unterwäsche und zwei T-Shirts. Auf der Wäsche lag ein verschlossener Umschlag mit seinem Namen darauf. Rasch öffnete er den Brief und suchte zuerst nach einem Briefkopf oder einer Unterschrift. Beides gab es nicht. Nur ein paar Sätze waren auf ein normales Blatt Papier hingeworfen: „Hallo Bill, bitte glauben Sie, dass alles, was mit Ihnen geschah und geschieht, zu Ihrer Sicherheit unternommen wird. Leider haben sich ihre Berechnungen bestätigt. Oberstes Prinzip ist jetzt, Panik zu vermeiden. Langsam sickern Fakten durch. Zum Glück sind das genaue Datum des großen Ereignisses und die zu erwartenden Auswirkungen nicht mal gerüchteweise im Umlauf. Sie galt es vor allem vor den Medien und Oppositionellen abzuschirmen. Vertrauen Sie mit uns auf Gott und darauf, dass es unter Einbeziehung aller Möglichkeiten der hochtechnisierten Länder gelingt, den Supergau abzuwenden. Bill, entweder wird alles gut und die Menschheit hat Ihnen sehr viel zu danken … oder wir gehen gemeinsam unter.“
Zweimal überflog der Professor die Zeilen und machte sich so seine Gedanken. Er wurde einfach nicht fertig damit, dass man ihn als einen der führenden Spezialisten auf seinem Gebiet einfach wegschloss. Was, wenn der Komet auf seiner Bahn noch eine Kursränderung vornimmt, wenn er sich gar teilt? Er zwang sich, die Gedanken zu unterdrücken. Vielmehr grübelte er darüber, warum man ihn von Hanna getrennt hatte, wenn man es schon gut mit ihm meinte.
Plötzlich spürte Bill ein dringendes menschliches Bedürfnis. Mit dem Schuh klopfte er an die schwere Metalltür. Nichts! Erst nun merkte er, dass er sich mit dem Verhängen von Kamera und Mikrofon selbst die Möglichkeit der Kommunikation genommen hatte. Er zog sein Taschentuch wieder herunter und machte sich durch Hüsteln bemerkbar. Sofort fragte die Lautsprecherstimme nach seinem Begehren. Gleich darauf wurde er von einem scheinbar stummen Seemann zur Toilette und zurück geführt.
Zwei Tage war Professor Goodman mit dem Schachcomputer, den paar Zeitschriften und täglich drei reichhaltigen Mahlzeiten allein – ausgenommen der Toilettengänge natürlich.
Als sich wieder einmal die Tür öffnete, konnte der stumme Seemann plötzlich reden. Er forderte ihn auf, alles mitzunehmen, was er vorgefunden hatte. Erschreckt packte Bill die paar Sachen zusammen und folgte dem Mann. Er musste sich erst die Augen reiben, als er durch eine Tür geschoben wurde und in einer richtig gut aussehenden Schiffskabine landete. Hanna stand mit geöffneten Armen gleich neben der Tür. Er schämte sich seiner Tränen nicht. Die rollten noch ungehemmter, als die Tür von außen zugeschlagen und wieder verschlossen wurde. Intensiv betrachtete er seine Frau. Gut sah sie aus, ausgeruht und entspannt. Noch fester drückte sie ihn an sich und wimmerte leise: „Man hat mir meinen Wunsch erfüllt. Ich habe so sehr darum gebettelt, dass man uns wenigstens zusammen lassen soll.“
„Wen hast du gebettelt“, schrie Bill auf.
„Den Kapitän natürlich. Er hat mich besucht, um sich zu überzeugen, ob es mir an nichts fehlt. Ich habe ihm auf den Kopf zugesagt, dass du auch an Bord bist und dann auf ihn eingeredet. Er hatte große Bedenken, wie du überhaupt reagierst. Schließlich wusste er von deinem Ausbruch aus der Klinik. Mann wollte kein Risiko eingehen.“
„Offensichtlich weißt du mehr als ich“, sagte er ärgerlich, gab ihr allerdings gleich den bewussten Brief zu lesen.
Erst nach einer ganzen Weile nahm er sich Zeit, die nun gemeinsame Kabine zu inspizieren. Wenn es Bullaugen gegeben hätte, konnte man sich auf einem Ausflugsdampfer wähnen. Wandschränke, ein sehr breites Bett, Duschraum mit Waschbecken und Toilette. Sogar eine kleine Hausbar gab es. Man wusste offensichtlich, was man der Frau des Professors schuldig war. In der gemütlichen Ecke gab es eine Couch und zwei herrlich weiche Sessel. Beflissen schenkte Hanna zwei Whiskys ein und drückte ihren Mann in einen der Sessel. Lange redeten sie über ihre Situation und über die Weltlage. Hanna dachte ausgesprochen positiv. Sie glaubte dem, was in dem Brief stand und war voller Hoffnung auf einen guten Ausgang. Ganz warm wurde ihm ums Herz, als sie sagte: „Der Tag wird nicht mehr fern sein, an dem die Menschheit begreift, was sie dir zu danken hat.“
Sarkastisch lachte er auf und widersprach: „Der Prophet gilt bekanntlich im eigenen Lande nichts.“
Als Bill kurz vor Mitternacht im Bett immer noch vom Kometen sprach, schob sie ihre Hand unter seine Decke und hauchte: „Wie ist es, wann wird mich dieser Komet tangieren.“
Ein wenig verblüfft war sie, weil sie vielleicht zum ersten Mal fast ins Leere griff. Dem war aber rasch abzuhelfen. Er schubste ihre Decke auf den Boden und bemerkte erst jetzt, dass sie ganz nackt zu Bett gegangen war. Sie prustete heraus, weil er das bewunderte: „Glaubst du, ich gehe mit so einem steifen Leinenhemd ins Bett, das man mir in den Schrank gelegt hat?“
Erschreckt fragte er nach: „Hast du dich schon nach einer versteckten Kamera umgesehen.“
„Ich habe keine entdeckt. Falls es doch eine geben sollte, von mir aus können sich die Leute ein Auge holen. Die Schande hat immer der Lauscher!“ Sie gluckste vor Wonne, weil es endlich wieder seine Hand war, die ihre Brüste umschmeichelte, weil seine behutsamen Lippen nach den steifen Nippeln schnappten und die Zungenspitze von unten her über die Höfe streichelte. „Ich glaube, es wird gar nichts“, murmelte er. „Ich bin vielleicht viel zu aufgeregt.“
„Und wie aufgeregt ich erst bin“, hauchte sie an seinem Ohr. Dann tauchte sie in seine unteren Regionen ab, um zu beweisen, wie sie ihre Art von Aufregung auf ihn übertragen konnte. Sie glaubte, ihre Sinne narrten sie. Kaum hatte sie sich liebevoll ihres kleinen Freundes angenommen, hauchte er auch schon seinen heißen Geist aus. Alles drückte sie mit beiden Händen, wonach sie so fürchterliche Sehnsucht hatte und frotzelte: „Von wegen, es wird nicht gehen.“
Er revanchierte sich sofort mit einem perfekten Petting und einer ausgesprochen kunstvollen französischen Konversation. Selbst erregte er sich dabei wieder so, dass er wie entfesselt über sie stieg.