Professor Goodman spürte, wie ihm der Schädel zu zerplatzen drohte. Dennoch fiel es ihm wahnsinnig schwer, die Augen zu öffnen. Bevor er es endlich schaffte, tastete er nach links, wo Hanna zu schlafen pflegte. Noch einmal griff er zu und noch einmal. Es war weder Bettwäsche, was er fühlte, noch die samtene Haut seiner Frau. Sand, schoss es ihm durch den Kopf. Endlich blinzelte er und sah das gelbe Sonnensegel über sich. Blitzschnell war das Hirn voll da. Er raffte sich auf. Neben ihm sah er Hanna im Sand ausgestreckt und zu seiner perfekten Überraschung auch Filomena Streubel. Fest kniff er sich in den Arm und schrie auf. Es war kein Traum. Dicht nebeneinander lagen sie alle drei am Strand unter einem flüchtig errichten Sonnensegel. Sein Blick zu den Dünen blieb an einer Reihe Kisten hängen. Sein erster flüchtiger Gedanke: War das Schiff etwa gestandet. Unsinn, dazu standen die Kisten zu ordentlich und an ihm gab es keine Spur von Feuchtigkeit in den Sachen.
Es dauerte keine zehn Minuten, bis er Hanna behutsam wach gestreichelt hatte. Sie war offensichtlich ebenso verblüfft. Als sie auch Filomena ausmachte, strich sie sich ungläubig über die Augen. Sie setzte sich auf, legte den Arm um ihren Mann und traf mit ihren Überlegungen den Nagel auf den Kopf: „Man hat dich einfach mit deiner Frau und deiner Assistentin auf einer einsamen Insel abgesetzt, weil wir alle von deiner Entdeckung wussten. Wo war nur Frau Streubel in der Zwischenzeit?“
Vielleicht war Filomena von der Nennung ihres Namens völlig erwacht. Zuvor hatte sie geglaubt, im Traum eine bekannte Stimme murmeln zu hören. Sie schlug die Augen auf und schrie: „Herr Professor!“
Mehr brachte sie erst mal nicht heraus. Gebannt schaute sie, als erwartete sie sofort eine Erklärung. Die bekam sie auch von Bills Frau. Die sprach aus, was sie gerade ihrem Mann gesagt hatte. Filomena erzählte freimütig, dass sie zuerst gemeinsam mit ihrem Freund in ein ziemlich luxuriöses Haus eingesperrt war und dann allein, bis man sie zum Schiff brachte, wo sie wie in einer Gefängniszelle dahin vegetieren musste. Im Gegensatz zum Professor hatte es für sie keinerlei Erklärungen gegeben. Bill sprach von seinem Brief. Betreten schaute das Ehepaar vor sich hin, weil Filomena in Tränen ausbrach. Sie ließen sie. Das musste einfach raus.
Bill ging rein mechanisch am Strand ein paar Schritte hin und her. Ihm fiel auf, dass eine Stelle der Dünen danach aussah, als hatte der Mensch kultivierend eingegriffen. Wie ein künstlich angelegter Zugang zum Meer sah es aus. Er trottete zu dieser Stelle und fand sich bestätigt. Von den Dünen ging ein schnurgerader Weg landeinwärts. Als er seine Beobachtung an die Frauen weitergab und dem Weg folgen wollte, protestierten die Frauen. Sie wollten nicht allein am Strand zurückbleiben. So machten sie sich also zu dritt auf. Sie waren vielleicht dreihundert Schritte gegangen, da machten sie zwei Flachbauten aus. Mit gemischten Gefühlen näherten sie sich und fanden die beiden Bungalows unbewohnt. Ein paar Metallbetten standen darin, Schränke, ein gemauerter Herd und in einer Ecke ein paar Tische und Stühle. Alles sah aus, als war es einmal ein Domizil für irgendwelche Militärs gewesen. Ein paar Antennenmasten hatten Bill draußen schon auf diesen Gedanken gebracht. Mit der flachen Hand schlug Hanna auf eine Matratze und zog vor der Staubwolke angewidert den Kopf zurück. Pragmatisch sagte sie: „Ein Dach haben wir wenigstens erst mal über dem Kopf. Wir müssen nicht bei null anfangen wie Robinson.“
Filomena erinnerte an die Kisten am Strand. Bill sinnierte: „Ich kann mir vorstellen, dass darin alles ist, was wir zum Leben brauchen. Es ist eindeutig, man will uns nicht ans Leben. Nur verschwinden müssen wir für eine Zeit.“
Es erwies sich, dass keine der Kisten von ihnen transportiert werden konnte. Mit einem alten Beil, das man am gemauerten Herd gefunden hatte, wurde die erste Kiste geöffnet. Sie war voller Konserven. Hanna übernahm sofort die Regie. Sie erwies sich als die praktische Veranlagung. In Wolldecken, die an allen vier Zipfeln gehalten wurden, trugen sie von elf bis abends nach acht über die Hälfte ihrer Schätze in die feste Unterkunft. Immer wieder begeisterten sie sich, an was man alles gedacht hatte, um den Insulanern ein erträgliches Leben zu ermöglichen.
Am Abend verrammelten sie sorgfältig die Türen und Fensterläden und ließen sich geschafft ins Bett fallen.
Obwohl die Nacht sehr schwül gewesen war, hatte Hanna fantastisch geschlafen. Beinahe fröhlich erwachte sie, weil Bill neben ihr leise vor sich hin schnarchte. Ganz nackt lag er auf dem blütenweißen Laken, wie sie. Hanna konnte sich nicht verkneifen, ganz dicht an ihn heranzurutschen und die lockende Spitze seines Aufstandes immer wieder anzuhauchen. Sie amüsierte sich, wie der Bursche das ruckweise zulegte, was ihm noch fehlte. Im Schlaf ging Bills Hand zu seinem Schmuckstück. Das beobachtete sie nicht zum ersten Mal. Mit dem Anhauchen gab sie sich nicht lange zufrieden. Bald steckte sie die Zungen heraus und ließ sie über die Innenseiten seiner Schenkel und durch die Leistenbeugen huschen. Wie vom Blitz getroffen erwachte Bill. Hanna drückte ihm sofort einen Finger über die Lippen und wies mit dem Kopf zum Nebenzimmer, wo sich Filomena ihr Bett aufgeschlagen hatte. Bill flüsterte: „Unfair! Erst bringst du mich auf die Palme und nun willst du mich unterdrücken.“
„Du sollst ja nur leise sein“, hauchte sie. Damit er es richtig verstand, weckte ihre streichelnde Hand den Schmetterlingsschwarm in seinem Leib vollends auf. Bill beugte sich über ihre Brust, um an den überreifen Himbeeren zu naschen. Als er sie erblickte, fragte er sich, wie lange sie sich wohl schon selbst erregt hatte. Ein heftiger Quietscher des Betts ließ die beiden erstarren. Bill versuchte, sich vorsichtiger zu bewegen. Es gelang ihm einfach nicht. Immer machte es Geräusche, egal, ob er seinen Kopf zu ihrem Kopf, zu den Brüsten oder zu ihrem Schoß bewegen wollte. Sie kicherte verhalten und versuchte, in sein Bett zu steigen. Das war der letzte Quietscher, den Filomena hörte. „Ganz schön flott“, murmelte sie, weil sie dachte, da drinnen war es richtig zur Sache gegangen. Irgendwie waren ihr die verdächtigen Geräusche in den Leib gefahren. Einen verdammt feuchten Traum hatte sie sowieso gehabt, weil sie wieder mal mit Richard bis zum Abwinken getobt hatte. Mit einem Anflug von Solidarität schlich sie sich aus dem Haus und ließ die Tür von außen bewusst laut zugehen.
Hanna wisperte: „Siehst du, wir haben sie mit unserem Krach aufgeschreckt. Jetzt will sie uns allein lasen.“
„Sehr edel gedacht“, spöttelte Bill und holte seine Frau endlich über sich. Die musste sich noch einmal die Mühe machen, dem Halbgewalkten gut zuzureden. Es war ihr anzumerken, mit welcher Inbrunst sie es tat. Lange stand alles wieder perfekt an dem Mann, das waren ihre heißen Lippen immer noch in Aktion. Im allerletzten Augenblick trennte sie sich aus Angst vor einer Frühzündung. Nach einem wundervollen Ritt stöhnte sie begeistert auf und ließ wissen: „So möchte ich ab heute am liebsten jeden Tag erwachen.“
Filomena war durch ihre Flucht lange nicht beruhigt. Als sie hinter einem Baum hockte und ihr kleines Geschäftchen machte, konnte sie sich nicht gleich wieder erheben, ohne einen Griff in die kribbelnden Gefilde zu tun. Ängstlich schaute sie sich um. Ziemlich unheimlich war ihr, weil sie zum ersten Mal allein in der fremden Natur war. Das hielt sie allerdings nicht ab, sich so lange verhalten zu streicheln, bis mit einem leisen Aufschrei der Orgasmus wie eine Befreiung kam. Dieses Gefühl war es, das ihr in der Nacht bei himmlischen Träumen so gefehlt hatte. An einem Baum gelehnt wiederholte sie das Spiel gleich noch einmal, ehe sie an den Strand stürmte und ihr Morgenbad nehmen wollte. Es wurde keins. Irgendwie hatte sie Respekt vor dem fremden Gewässer. Nur bis zu den Waden ging sie hinein und wusch sich flüchtig ab.