Keinerlei Spannung war im Gesicht des Präsidenten, als er Professor Goodman die Hand drückte und die übliche Frage stellte, wie es ihm ging. Bill Goodman dachte gar nicht darüber nach, dass er gerade dabei war, alle Höflichkeitsformen über Bord zu werfen. Er ging nicht auf die Frage des Präsidenten ein, sondern polterte sofort mit dem heraus, was ihm seit der Nacht auf der Seele brannte. Die Miene des Präsidenten versteinerte sich zusehends. „Professor“, murmelte er, „ich kenne Sie zu gut, um nachzufragen, ob Sie sich gut überlegt haben, was sie da sagen.“ Er ließ sich in seinen Sessel fallen und hörte sich versteinert an, wie Bill von der Größe des Kometen sprach, von seiner Geschwindigkeit, von tödlichen heißen Gasen, die ihn umgaben, dem voraussichtlichen Einschlaggebiet und so weiter.
Aus den zehn Minuten angekündigter Audienzzeit war inzwischen schon eine halbe Stunde geworden. Der Präsident fragte nach, woher die Veränderung der Prognose kam. Er wusste natürlich, dass man bislang damit gerechnet hatte, der Komet würde im Jahre 2032 die Erde möglicherweise tangieren. Ehe der Professor antworten konnte, erschienen eine Dame und ein Herr, die wahrscheinlich durch einen Knopfdruck des Präsidenten gerufen worden waren. Goodman hörte: „Was hier zu bereden ist, kann keine Sache mehr unter vier Augen bleiben. Sie wissen, Professor, was ihre brisante Information auslösen muss. Zuerst werde ich eine Konsultation mit den wichtigsten Wissenschaftlern Amerikas, Europas und Asiens anstreben. Nicht, dass ich ihren Berechnungen misstraue. Es dürfte aber auch in ihrem Interesse liegen, dass diese Theorie von anderen Experten gestützt wird.“
Lange hielt sich der Präsident mit seinen Überlegungen zur Geheimhaltung auf. Man merkte ihm an, wie unwohl ihm dabei war. Klar, jeder Mensch, der in diesen Informationsfluss einbezogen werden musste, war schon wieder einer zu viel. Während langer Minuten wurde eine weltweite Panik ausgemalt. Daran beteiligte sich besonders die Frau, die der Professor nicht kannte und die ihm auch nicht vorgestellt worden war.
Wie nebenher wurde der Professor noch gefragt, wer von seinen Erkenntnissen wusste. Ein wenig betreten sagte er: „Meine Assistentin natürlich.“ Es war ihm nicht bewusst, dass er das oberflächliche Wissen seiner Frau verschwieg. Ein Schauer ging ihm über den Rücken, weil sich die anderen drei Leute am Tisch bedeutungsvoll anschauten.
Zehn Minuten später fuhr der unauffällige Regierungswagen, mit dem der Professor gekommen war, mit ihm vom Präsidentensitz wieder ab. Sehr freundlich war er verabschiedet worden und hatte die Zusage, dass man ihn in alle bevorstehenden Aktivitäten einbeziehen wollte.
Beinahe zur gleichen Zeit machte sich ein anderer Wagen auf, der den Auftrag hatte, Filomena Streubel abzuholen. Die zwei Herren wussten nur ihre Wohnadresse und das Ziel der Fahrt. In Filomenas Wohnung wurden sie überrascht. Sie war nicht allein. Die beiden Männer in den dunklen Anzügen lächelten mokant, als ein junger Mann im Bademantel aus dem Schlafzimmer kam. Einer der beiden telefonierte in der Diele und machte seinem Kollegen anschließend eine bedeutungsvolle Miene. Filomena und Richard wurden aufgefordert, sich fertig zu machen, um sie zu einer Anhörung zu begleiten. Die Ausweise vom Geheimdienst hatte Filomena bereits gesehen und wusste, dass es keinen Sinn hatte, irgendwie in Widerspruch zu gehen. Die Herren taten schließlich nichts als ihre Pflicht.
Hätte es nicht diesen verteufelten Hintergrund gegeben, wäre es ein Grund zum Jubeln gewesen. Das Liebespaar wurde in einem einsamen Landhaus abgesetzt und eingeschlossen, dessen einziger Nachteil war, dass Fenster und Türen vergittert und in schwerer Sicherheitsausführung waren. Ansonsten erwies sich das Häuschen als ausgesprochen luxuriös. Drinnen erwartete sie ein weiterer Herr im dunklen Anzug, der sehr verbindlich verkündete: „Frau Streubel, es gibt einen sehr aktuellen Anlass, Sie und ihren Chef unter besonderen Schutz zu stellen.“ Er wies mit einer leichten Kopfbewegung auf Richard und fügte hinzu: „Da Sie mit diesem Herren angetroffen wurden, macht es sich erforderlich, dass er ihr Schicksal teilt. Ich versichere, Ihr Aufenthalt hier wird nicht länger dauern, als unbedingt notwendig. Sie haben alle Annehmlichkeiten. Machen Sie sich ein paar schöne Tage.“
Als Filomena mit Richard allein war, wollte der natürlich wissen, worum es sich handeln konnte. Filomena wusste, dass sie an einer Schwelle stand. Sie entschied sich zum eisernen Schweigen und zwang sich, cool zu erscheinen. Als sie im Kellergeschoss auf den Pool stießen, ließ sie einfach ihre Sachen fallen und machte einen Hecht ins kühle Nass. Bald war im Wasser eine wilde Balgerei im Gange, bei der die vielen kleinen Teufelchen wieder geweckt wurden, die eine Stunde zuvor in Filomenas Schlafzimmer schon am Wirken gewesen waren. Die Frau ließ sich liebend gern auf die weich gepolsterte Holzliege tragen und sich nach Strich und Faden verwöhnen. Das ganze Menü bekam sie. In unbeschreibliche Wollust versetzte er sie bereits mit seinem perfekten Französisch. Als er dann richtig zu ihr kam, hörte sie auf, ihre Höhepunkte zu zählen. Später wusste sie sich nicht zu erklären, wie sie in der Situation überhaupt einen Orgasmus genießen konnte. Das war aber die einzig richtige Möglichkeit zur Ablenkung, sagte sie sich. Sie gab sich große Mühe, nicht gleich wieder in Nachdenklichkeit zu verfallen. Ganz ausgelassen tobten sie splitternackt durch das ganze Haus. An die Möglichkeit, dass versteckte Kameras sie beobachten konnten, dachten sie gar nicht. So konnte Richard auch nicht wissen, dass seine unbelastete Ausgelassenheit ihm viele Unannehmlichkeiten ersparte. Weit von der Kamera entfernt sagte gerade ein Mann zu einem anderen: „Den können wir ausschließen. Der weiß von nichts.“
Hanna erwachte gegen Mitternacht aus bösen Träumen. Noch einmal telefonierte sie mit dem Institut. Von den Wachleuten erfuhr sie nur, dass niemand mehr im Haus war, auch Professor Goodman nicht.
Bedrückt streckte sie sich auf die Couch aus. Sie brachte es einfach nicht fertig, ins Ehebett zu gehen. Hell wach war sie nun und überlegte, was sie am nächsten Tag tun konnte, um Verbindung mit Bill zu bekommen. Ihr schwante schon etwas. Nicht zum ersten Mal dachte sie daran, dass man ihren Mann vielleicht so lange von der Bildfläche verschwinden lassen könnte, bis man sicher war, was man zu tun gedachte. Schwer wurde Hanna ums Herz. Nie hatte sie erwartet, dass sie sich einmal so in diesen Mann verlieben würde. Es hatte ihr zuerst nur wahnsinnigen Spaß gemacht, den fürchterlich verklemmten Mann abzuschleppen und ihn dann auch noch in das ABC der Liebe einzuweihen. Spaß war es nicht lange geblieben. Nach seinen ersten verzehrenden Küssen hatte es plötzlich auch ´klick´ in ihr gemacht. Schon am zweiten Abend ihrer Verabredung hatte sie ungeduldig auf ihn gewartet. Ihr war dann, als kam sie in den vollen Genuss seiner unverbrauchten Manneskraft. Es war weiß Gott nicht der erste Mann, mit dem sie im Bett gewesen war. Wie oft Bill sie allerdings hintereinander genommen hatte, das war eine völlig neue Erfahrung für sie gewesen.
Pikiert lächelte Hanna. Eigentlich war es mit ihren Nerven gar nicht danach bestellt, dass sich ihre Finger selbstständig machten und behutsam unter den Slip schlichen. Nur einen Moment gönnte sie es sich. Der Moment war allerdings schon zu viel. Es gab kein zurück mehr.